Stolpe realisiert Solar-Freiflächenanlage mit finanzieller Bürgerbeteiligung

Die Gemeinde Stolpe, eine kleine, aber engagierte Gemeinde mit rund 1.300 Einwohnern, liegt etwa 20 Kilometer westlich von Plön am Stolper See. Sie versteht sich als Gemeinde, die Veränderungen vorantreibt und auch erneuerbare Energien voranbringen möchte. Auf den Dächern des Dorfgemeinschaftshauses und des Feuerwehrgerätehauses befinden sich bereits seit längerem Photovoltaikanlagen, die Strom nach EEG-Vergütung ins Netz einspeisen. 
Die angespannte Haushaltslage der Gemeinde war Anlass, weitere Potentiale für erneuerbare Energien auf dem eigenen Gemeindegebiet zu prüfen. 

Dabei stellte sich die direkte Lage der Gemeinde an der A 21 als Vorteil heraus. Ein bereits bestehendes Umspannwerk auf dem Gemeindegebiet bot ebenfalls eine gute Voraussetzung für die Errichtung einer Solaranlage. Deshalb entstand in der Gemeinde die Idee, die Lage an der Autobahn zu nutzen und entlang dieser eine Solar-Freiflächenanlage zu errichten. Besonders an diesem Projekt ist, dass nicht nur die Gemeinde finanziell mitwirkt, sondern auch Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich unmittelbar finanziell an der Solar-Freiflächenanlage zu beteiligen.

So wurde das Projekt einer Solar-Freiflächenanlage auf den Weg gebracht, dessen Verlauf im folgenden Zeitstrahl von der ersten Idee bis hin zur Umsetzung dargestellt wird. 

Bis 2018

Erste Gespräche in der Gemeinde
In der Gemeindevertretung entstehen erste Ideen, den Korridor entlang der Autobahn A 21 für die Erzeugung von erneuerbaren Energien zu nutzen und so die Einnahmen der Gemeinde zu erhöhen. Die Lage an der A 21 bietet einen klaren Vorteil, da Solar-Freiflächenanlagen entlang von Autobahnen und Schienenwegen im Korridor von 200 Metern gemäß Baugesetzbuch privilegiert sind. 

2018

Im gesamten Jahr 2018

Kontaktaufnahme mit potentiellen Investoren 
Die Gemeindevertretung nimmt erste Gespräche mit möglichen Investoren auf.
Gleichzeitig findet eine vom Vorhaben unabhängige Initialberatung durch die IB.SH Energieagentur im Rahmen der Solarkampagne Schleswig-Holstein statt.

Sommer 2018

Festlegung der Rahmenbedingungen für Verträge mit Investoren
Die Pläne für eine Solar-Freiflächenanlange entlang der A 21 nehmen zunehmend Gestalt an. Nach einer umfassenden Diskussion legt die Gemeindevertretung zentrale Rahmenbedingungen für Verträge mit Investoren fest. So müssen Betreibergesellschaften ihren Sitz in der Gemeinde Stolpe haben, damit die Gewerbesteuereinnahmen in der Gemeinde verbleiben. Potentielle Investoren sollen zudem zur ländlich geprägten Struktur der Gemeinde passen und idealerweise ihren Sitz in Schleswig-Holstein haben. Außerdem muss eine direkte Beteiligung der Gemeinde sowie der Bürgerinnen und Bürger mit mindestens 25 % am Gesamtvolumen der Anlage möglich sein.

Oktober 2018

Aufstellungsbeschluss für Bauleitplanung
Die Gemeindevertretung beschließt am 24.10.2018 einstimmig, einen Bauleitplan für das Vorhaben entlang der A 21 aufzustellen.
Im Rahmen der Bauleitplanung wird ebenfalls die Erstellung eines Standortrahmenkonzepts (auch bekannt als Standortrahmenplan oder Potentialanalyse) beschlossen.

2019

Im gesamten Jahr 2019

Suche nach Investoren
Die Gemeindevertretung sucht proaktiv nach einem geeigneten Investor für die Solar-Freiflächenanlage. Neben den zuvor genannten Rahmenbedingungen war ihr dabei besonders wichtig, dass potentielle Investoren den Bau des Solarparks unter den unebenen Geländeverhältnissen als realisierbar einschätzen und über ausreichende Bonität verfügen, um für jene Fläche in Vorleistung zu gehen, an der sich die Bürgerinnen und Bürger zu einem späteren Zeitpunkt finanziell beteiligen können.
Anfang des Jahres 2020 findet die Gemeinde einen geeigneten Investor aus Schleswig-Holstein.

2020

Juni 2020

Abschluss des städtebaulichen Vertrags
Die Gemeindevertretung schließt mit dem Investor einen städtebaulichen Vertrag. In diesem wird unter anderem festgelegt, dass eine finanzielle Beteiligung der Gemeinde und der Bürgerinnen und Bürger durch eine direkte Gesellschaftsbeteiligung an mindestens 35 % der Fläche der Solar-Freiflächenanlage möglich sein muss. Die Umsetzung der finanziellen Bürgerbeteiligung soll allerdings erst nach Inbetriebnahme der Freiflächenanlage erfolgen, damit bereits nachgewiesen ist, dass das Projekt tatsächlich realisiert wird und ausreichende Erträge einbringt.

2021

Juni 2021

Fertigstellung des Standortrahmenkonzepts
Die Gemeindevertretung beschließt das Standortrahmenkonzept, in dem eine Fläche im 200-Meter-Korridor entlang der A 21 für die Solar-Freiflächenanlage festgelegt wird. Im Vorfeld wurden ein Blendgutachten sowie ökologische Untersuchungen durchgeführt. Bei dem Prozess wurde die Öffentlichkeit mit eingebunden, was mit großem Interesse angenommen wurde. Dabei kam es nur zu wenigen Einwänden – unter anderem, weil die Fläche durch die Lage an der Autobahn ohnehin vorbelastet ist.

2021

Antrag beim Netzbetreiber
Der Netzanschlusspunkt wird vom Investor beim Netzbetreiber Schleswig-Holstein Netz (SH-Netz) beantragt. Die Vergütung nach Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) wird bei der Bundnetzagentur im Rahmen einer Ausschreibung erworben. 

Oktober 2021

Änderung des Flächennutzungsplans
Die Gemeindevertretung bestätigt den Satzungsbeschluss zur rechtskräftigen Änderung des Flächennutzungsplans.

Dezember 2021

Festsetzung des Bebauungsplans
Der Bebauungsplan wird durch einen Satzungsbeschluss der Gemeinde rechtskräftig festgesetzt.

2022

Im Jahr 2022

Genehmigung des Netzanschlusspunktes
Der Netzanschlusspunkt wird von der SH-Netz genehmigt. Die Genehmigung basiert auf der Feststellung, dass die noch freien Kapazitäten des vorhandenen Umspannwerks ausreichen und genutzt werden können.

Frühjahr bis August 2022

Bau des Solarparks
Der Investor errichtet den Solarpark auf der Fläche entlang der Autobahn A 21.

22. August 2022

Inbetriebnahme
Die Solar-Freiflächenanlage in Stolpe wird in Betrieb genommen.

Das Bild zeigt die Solar-Freiflächenanlage im Juli 2024. 

Juli 2023

Informationskampagne über finanzielle Beteiligung
Nach der Errichtung und Inbetriebnahme des Solarparks soll nun die Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger realisiert werden, sich finanziell zu beteiligen. Aus diesem Grund organisiert die Gemeinde eine Informationsveranstaltung im Bürgergemeinschaftshaus, auf der die Möglichkeiten der finanziellen Beteiligung erläutert werden. Unter den Bürgerinnen und Bürgern besteht großes Interesse an dem Projekt, weshalb 120 Personen sowie die maßgebenden Akteure anwesend sind. Ebenfalls anwesend ist auch der Wirtschaftsprüfer, den die Gemeinde eigens für das Projekt hinzugezogen hat und der die Gemeinde bei wichtigen Fragen berät.

Im Konkreten ist die finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wie folgt organisiert:
Der Solarpark Stolpe wird durch zwei Gesellschaften betrieben. Zum einen durch den Investor, der zwei der drei Teilstücke der Fläche betreibt und zum anderen durch die Solarpark B & G Stolpe GmbH & Co. KG, die das dritte Teilstück der Fläche betreibt. Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich finanziell beteiligen. Hierfür tritt die Solarpark B & G Stolpe GmbH als Komplementär der Kommanditgesellschaft auf und die Bürgerinnen und Bürger können sich als Kommanditisten an dem Vorhaben beteiligen, wobei die Mindesteinlagesumme 2.000 € beträgt. Die Bürgerinnen und Bürger sind deshalb Gesellschafter mit Stimmrechten und Haftung, wobei von Bedeutung ist, dass eine mögliche Haftung auf die Einlagesumme begrenzt ist und keine Nachschusspflicht besteht. Durch das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen ist das Vorhaben prospektpflichtig.
Im Laufe der Betriebszeit des Solarparks werden die finanziellen Überschüsse der Solarpark B & G Stolpe GmbH & Co. KG an die Kommanditisten ausgezahlt, sodass die Beteiligung an dem Solarpark ein langfristiges Investment mit prognostizierten Auszahlungen über viele Jahre darstellt.

Herbst 2023

Formale Information der Kommunalaufsicht und Suche nach einem Vertriebspartner
Die Gemeinde informiert die Kommunalaufsicht formal über das Gesamtprojekt und die Beteiligungsformen für die Bürgerinnen und Bürger.
Zudem beginnt die Suche nach einem Vertriebspartner, der zusammen mit der Gemeinde die Beteiligungsformen für die Bürgerinnen und Bürger realisieren soll. In Schleswig-Holstein kann zum Bedauern der Gemeinde kein Partner gefunden werden. Schlussendlich übernimmt ein erfahrenes Unternehmen aus Bayern die formale Umsetzung der direkten Bürgerbeteiligung sowie die Einrichtung eines online-Portals, auf dem sich die Bürgerinnen und Bürger für die finanzielle Beteiligung eintragen können. 

Ende 2023

Beginn des BaFin-Verfahrens
Die Gemeinde informiert die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) über das Projekt und initiiert so das Verfahren zur Genehmigung nach dem Kapitalanlagegesetz bezüglich des beabsichtigten Einwerbens von offenen Kommanditbeteiligungen.

Juni 2024

Beitritt in die Klimaschutzagentur Plön
Die Gemeinde Stolpe tritt der Klimaschutzagentur Plön bei. Durch die Kooperation sollen kommunale Herausforderungen im Bereich Klimaschutz durch gezielte Beratungsleistungen und Zusammenarbeit effektiver gestaltet werden.

Aktueller Stand: März 2025

Entwicklung des Verfahrens der finanziellen Beteiligung
Die Umsetzung der finanziellen Bürgerbeteiligung ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Das Verfahren bei der BaFin wurde vorerst ausgesetzt, da ein von der BaFin gefordertes erneutes Gutachten für die Gemeinde finanziell nicht vertretbar gewesen wäre. Seit dem 01.01.2025 ist die Gemeinde Stolpe jedoch Mitgesellschafter der B & G Stolpe GmbH & Co. KG. 

Der Solarpark ist seit 2,5 Jahren ohne technische Störungen in Betrieb. Auswertungen zeigen, dass die Vermarktungssituation im Jahr 2023 über den Prognosen lag. 

Fortlaufend

Ausblick: Ende des Jahres 2025

Umsetzung der Bürgerbeteiligung
Die Genehmigung und praktische Umsetzung der finanziellen Bürgerbeteiligung soll Ende des Jahres 2025 realisiert werden. Dann können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger online auf einem Portal registrieren, um sich finanziell an der Solar-Freiflächenanlage zu beteiligen. 

Ausblick: Im Laufe des Jahres 2026

Erste Renditen
Aktuell ist vorgesehen, dass im Jahr 2026 die ersten Renditen an jene Bürgerinnen und Bürger ausgeschüttet werden, die sich finanziell an der Solar-Freiflächenanlage beteiligt haben.

Erste Bilanz und Tipps für andere Gemeinden

Mit großem Engagement und günstigen Rahmenbedingungen – wie der Lage an der A 21 und einem vorhandenen Umspannwerk – konnte die Gemeinde Stolpe innerhalb von vier Jahren Planung, Bau und Inbetriebnahme der Solar-Freiflächenanlage realisieren. Das Projekt zeigt, dass sich mit einer durchdachten Strategie und entschlossenem Handeln selbst umfangreiche Vorhaben in kleinen Gemeinden erfolgreich umsetzen lassen.
Die nachgelagerte, finanzielle Bürgerbeteiligung erwies sich allerdings als deutlich zeitaufwendiger als erwartet. Zum einen stellt das Thema für die Genehmigungsbehörden auf Kreis- und Landesebene eine besondere Herausforderung dar. Zum anderen ist das Verfahren bei der BaFin mit einem hohen Aufwand und langen Bearbeitungszeiten verbunden. Für ähnliche Vorhaben empfiehlt es sich daher, ausreichend Zeit für die Umsetzung solcher direkten Beteiligungsmodelle einzuplanen.
Laut Herrn Bajorat erwies sich die frühzeitige Einbindung eines auf Bürgerbeteiligung spezialisierten Wirtschaftsprüfungsunternehmens als besonders hilfreich. Dieses stand der Gemeinde in entscheidenden Fragestellungen beratend zur Seite und brachte wertvolle Erfahrung in den Prozess ein. Auch die Entscheidung, den Solarpark zunächst in Betrieb zu nehmen und die Bürgerbeteiligung erst anschließend umzusetzen, zahlte sich aus: Die nachgewiesene Funktionsfähigkeit stärkte das Vertrauen in das Projekt.
Rückblickend wäre aus Sicht der Gemeinde eine lineare statt der vom Investor vorgenommenen degressiven Abschreibungsregelung vorteilhafter gewesen. Die degressive Abschreibung führt dazu, dass sich Gewerbesteuereinnahmen für die Gemeinde erst ab dem Jahr 2030 entwickeln. 
Seit der Inbetriebnahme im August 2022 arbeitet die Anlage störungsfrei, sodass die anfänglichen Anlaufkosten durch die erzielten Erträge kompensiert werden.
Mit Blick auf die Zukunft beobachtet die Gemeinde Stolpe die Entwicklung der Rahmenbedingungen (EU-Richtlinie "Förderung und Nutzung von Energien aus erneuerbaren Quellen") zum Beispiel für die Schaffung eines regionalen Strompools, um den regionalen Nutzen des Projekts noch zu erweitern.

Die Gemeinde Stolpe hat mit Weitsicht und Beharrlichkeit ein Vorzeige-Projekt realisiert. In Zukunft wird die Anlage nicht nur der Gemeinde und den Bürgerinnen und Bürgern einen direkten finanziellen Erlös einbringen, sondern auch die regionale Wertschöpfung stärken und die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der Gemeinde und der Region fördern.

Steckbrief des Interviewpartners

Name: Holger Bajorat

Position: Bürgermeister der Gemeinde Stolpe seit 1994

Beruf: pensioniert, ehemals Prokurist und Leiter der Großkunden-Betreuung einer Bank. 

Steckbrief der Gemeinde

Name: Stolpe

Kreis: Plön

Einwohnende: 1.340

Fläche: 23,21 km2

Website: https://stolpe.de/

Kenndaten der PV-Freiflächenanlage

Fläche: ca. 20 Hektar in drei Teilgebieten 

Leistung: insgesamt 17,2 MW

Ertrag: 4,98 ct/kWh gesicherte EEG-Vergütung