Handewitt setzt auf Regionalität und öffentliche Beteiligung

Die Gemeinde Handewitt liegt im Nordwesten Schleswig-Holsteins und ist eine direkte Nachbargemeinde der Stadt Flensburg mit etwa 11.000 Einwohnenden. Auf dem Gemeindegebiet befinden sich zahlreiche, weitläufige Flächen, die vorranging landwirtschaftlich genutzt werden. Zwei Umspannwerke auf dem Gemeindegebiet sowie die Lage an der Autobahn A7 bieten hervorragende Voraussetzungen für die Errichtung von Solar-Freiflächenanlagen. Bereits im Jahr 2011 wurde ein erstes Standortrahmenkonzept erstellt, um potentielle Flächen zu finden. Das Vorhaben kam dennoch erst mit der Verabschiedung eines umfassenden Gemeindeentwicklungskonzepts in 2019 und der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wieder in Bewegung.
Die Gemeinde wollte die Errichtung von Solar-Freiflächenanlangen nicht ausschließlich dem freien Markt überlassen. Deshalb entschied sie sich, eine flächendeckende Eignungsprüfung des gesamten Gemeindegebiets mit aktiver Beteiligung der Bevölkerung vorzunehmen und ein neues Standortrahmenkonzept zu erstellen. Im folgenden Zeitstrahl wird der Planungsprozess von einer der drei inzwischen geplanten Solar-Freiflächenanlangen in der Gemeinde Handewitt bis zum heutigen Stand dargestellt.

2019

August 2019

Erstellung eines Gemeindeentwicklungskonzepts
Die Gemeinde beschließt das in den Monaten zuvor erstellte Gemeindeentwicklungskonzept. In diesem wurde unter anderem festgelegt, dass der Ausbau erneuerbarer Energien, wie zum Beispiel Photovoltaik auf Dächern und auf Flächen des Gemeindegebiets, vorangebracht werden soll. Über diesen Beschluss wird in den Medien landesweit berichtet.

Herbst 2019

Eingänge von zahlreichen Investorenanfragen
Das mediale Interesse führt zum Eingang von zahlreichen Anträgen von Investoren, die eine Solar-Freiflächenanlage in der Gemeinde Handewitt errichten wollen. Es besteht Interesse an insgesamt 1.000 Hektar Projektfläche.

2020

September 2020

Beschluss zur Erstellung eines Standortrahmenkonzepts
Die Gemeindevertretung beschließt, ein Standortrahmenkonzept (auch bekannt als Standortrahmenplan oder Potentialanalyse) für das Gemeindegebiet zu erstellen. Dafür wird ein externes Planungsbüro aus Flensburg beauftragt. Ziel ist es, im Standortrahmenkonzept das Gemeindegebiet umfassend zu betrachten und einen Überblick darüber zu gewinnen, auf welchen Flächen der Bau einer Photovoltaik-Freiflächenanlage grundsätzlich möglich wäre. Dabei werden im Standortrahmenkonzept bereits gemeindeeigene Kriterien wie zum Beispiel der Abstand zur Wohnbebauung festgelegt. Dadurch übernimmt die Gemeinde die Steuerung der Flächen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und sorgt für eine strukturierte Entwicklung. Dies vermeidet auch eine ungeordnete Entstehung zahlreicher Pachtverträge zwischen Investoren und Landeigentümern.

2021

Sommer 2021

Handewitterinnen und Handewitter nehmen an Workshop-Runden teil
In den nächsten Monaten werden für das Standortrahmenkonzept besondere Rahmenbedingungen zum Ausbau von Solar-Freiflächenanlagen definiert. Dazu zählt auch die Auswahl von Ausschlussbereichen und eine Begrenzung der Gesamtfläche. In den jeweiligen Ortsteilen organisiert die Gemeinde eine Reihe von Workshop-Runden, welche gut besucht werden. Hier können sich Bürgerinnen und Bürger zur Ausgestaltung der Rahmenbedingungen einbringen.

Dezember 2021

Beschluss des Fragenkatalogs zur Auswahl der Investoren und Annahme des erstellten Standortrahmenkonzepts
Das Standortrahmenkonzept wird vom Planungsbüro fertig gestellt und anschließend von der Gemeindevertretung beschlossen. In diesem werden die gemeindespezifischen Kriterien festgelegt. Beispiele für diese Kriterien sind der Mindestabstand von 100 Metern zu Siedlungsflächen und eine maximale Fläche für Solar-Freiflächenanlagen von 350 Hektar. 
Im Laufe des weiteren Planungsprozesses haben sich Erkenntnisse gezeigt, aufgrund derer das Standortrahmenkonzept noch zweimal angepasst werden sollte.

Für die Auswahl von Investoren beschließt die Gemeindevertretung den in den Vormonaten entwickelten Fragenkatalog und veröffentlicht diesen, damit sich die Investoren anhand des Katalogs auf die in dem Standortrahmenkonzept ermittelten Flächen bewerben können.

Parallel werden Aufstellungsbeschlüsse zur Änderung der Flächennutzungspläne und zur Aufstellung der Bebauungspläne für mehrere Verfahren verabschiedet.

2022

Anfang 2022

Expertenwissen aus der IB.SH
Die Gemeindevertretung nimmt das erste Mal das Expertenwissen der Solarkampagne Schleswig-Holstein durch die IB.SH Energieagentur Schleswig-Holstein in Anspruch, mit der sie seitdem in kontinuierlichem Austausch steht.

Frühjahr 2022

Auswahl der Projektflächen und Investoren
Im Frühjahr 2022 wählt die Gemeinde sieben Projektgebiete nebst Investoren aus.
Aufgrund der Vielzahl der Bewerbungen erfolgt die Auswahl zum einen nach den Antworten auf die sechs Eingangsfragen des Fragenkatalogs zum anderen nach der Eingangsreihenfolge der Bewerbung. Ein Investor erwähnt in einer der Bewerbungen das Thema Agri-Photovoltaik (Agri-PV), weshalb sich die Gemeindevertretung vertiefend auch mit diesem Thema auseinandersetzt.

März 2022

Planungsanzeige bei der Landesplanung
Die Gemeinde Handewitt stellt Planungsanzeigen für die Bauleitplanung der verschiedenen Verfahren bei der Landesplanung Schleswig-Holstein. Laut § 11 Landesplanungsgesetz müssen Änderungen in der Bauleitplanung in Form von Planungsanzeigen bei der Landesplanungsbehörde angezeigt, damit dort geprüft werden kann, ob die vorgesehene Bauleitplanung mit den Grundsätzen und Zielen des Landesentwicklungsplans und des Regionalplans übereinstimmt.

März und April 2022

Vorstellung der Investoren vor Gremium und Fokussierung auf zunächst drei Projekte
Die sieben ausgewählten Investoren werden nach Handewitt eingeladen, um ihre Antworten auf die Fragen des Fragenkatalogs vor einem Gremium aus Politik, Verwaltung und dem ausgewählten Planungsbüro vorzustellen. Auf Grundlage dieser Vorstellung wählt die Gemeindevertretung drei der zuvor ausgewählten sieben Projekte aus. Durch die reduzierte Anzahl der Projekte soll gewährleistet sein, dass die planerische Begleitung durch die Kommune umsetzbar und die personelle Ressourcenbindung innerhalb der Verwaltung akzeptabel bleibt.
Die Gemeinde konzentriert sich zunächst auf die drei Projekte "Haurup-West", "Ellund" und "Weding": "Haurup-West" liegt im westlichen Bereich des Gemeindeteils Haurup und erstreckt sich über 60 Hektar. "Ellund" befindet sich im Nordwesten von Ellund und umfasst 100 Hektar. "Weding" liegt in der Nähe des Gemeindeteils Weding und hat eine Fläche von 20 Hektar.

Das Bild oben zeigt eine der drei Projektflächen, die zu diesem Zeitpunkt noch landwirtschaftlich genutzt wird. 

September 2022

Besuch einer Agri-Photovoltaikanlage
Die Gemeindevertretung besucht eine Agri-Photovoltaik-Musteranlage in Schleswig-Holstein, um sich eine Vorstellung zu machen, ob eine solche Anlage auch für Handewitt in Frage kommt.
Die Gemeindevertretung möchte damit Flächennutzungskonflikte zwischen Landwirtschaft und Erzeugung erneuerbarer Energien so gering wie möglich halten.
Am 23.09.2022 erhält die Gemeinde die landesplanerische Stellungnahme zu den eingereichten Planungsanzeigen.

Winter 2022/2023

Kostenübernahmeerklärungen werden unterzeichnet
Direkt zu Beginn der Bauleitplanung werden Vertragsbedingungen in Kostenübernahmeerklärungen zwischen den Investoren und der Gemeinde vereinbart.

2023

Sommer 2023

Ausgestaltung der Durchführungsverträge
Die Ausgestaltung der Durchführungsverträge wird von der Gemeindevertretung erarbeitet. Diese Verträge regeln die Bedingungen mit dem Investor für den Bau und den Betrieb der Anlage. Die Vertragsinhalte umfassen in Handewitt unter anderem die Einbindung regionaler Betriebe bei Bau und Wartung der Solar-Freiflächenanlage, den Ausgleich der Flächen durch ökologische Aufwertungen vor Ort anstelle von Ökokonten-Punkten, ein Monitoring alle zwei Jahre sowie die ökologische Baubegleitung durch ein Fachbüro. Da die jeweiligen Flächen unterschiedliche Gegebenheiten aufweisen, werden die Durchführungsverträge mit den Investoren der einzelnen Flächen separat verhandelt.

September 2023

Mindestanteil für Agri-PV pro Projektfläche 20 %
Die Gemeindevertretung beschließt im September 2023, dass in den Bebauungsplänen und in den Durchführungsverträgen festgelegt wird, dass auf jeder projektierten Fläche mindestens 20 % Agri-PV umgesetzt werden muss.

Den Investoren, die sich zunächst skeptisch zeigten, werden die Vorteile und die Machbarkeit der Agri-PV vermittelt. Durch das große Interesse an den Flächen seitens zahlreicher Investoren verfügt die Gemeinde über eine gute Verhandlungsposition, sodass diese Bedingung letztlich in den Durchführungsverträgen verankert werden kann.

Im Planungsprozess ist es wichtig, die Durchführungsverträge noch vor dem Satzungsbeschluss zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan abzuschließen.

2024

Erstes Halbjahr 2024

Beschluss der Satzungen für die drei Projekte
Die Gemeinde verabschiedet die einzelnen Satzungsbeschlüsse zur Aufstellung der Bebauungspläne für die Projekte "Haurup-West" und "Weding".

Ab hier erfolgt die zeitliche Darstellung am Beispiel des Solarparks "Weding". Die Planungsprozesse der beiden anderen Projekte laufen analog.

Ausblick: März 2025

Bauantragstellung
Der Bauantrag für die Solar-Freiflächenanlage "Weding" wird voraussichtlich im März 2025 gestellt werden.

Ausblick: Mai 2025

Geplanter Baubeginn
Mit dem Baubeginn der Solar-Freiflächenanlage "Weding" wird im Mai 2025 gerechnet.

Fortlaufend

Ausblick: 2026

Inbetriebnahme
Die Inbetriebnahme des Solarparks im Gebiet "Weding" soll voraussichtlich im Jahr 2026 erfolgen. 

Herausforderungen und Anregungen

Handewitt gilt als Vorzeigegemeinde insbesondere durch ihr Engagement, mindestens 20 % der vorgesehenen Projektflächen für Agri-Photovoltaik bereitzustellen. Dennoch sah sich die Gemeinde in der Vergangenheit mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert und hatte ursprünglich eine schnellere Umsetzung von der Planung bis zum Bau angestrebt. Die Realisierung von Solarprojekten erfordert jedoch viel Zeit sowie eine enge und beharrliche Zusammenarbeit, insbesondere mit allen beteiligten Ämtern.

Die Gemeinde Handewitt legt großen Wert auf die Verträglichkeit der Projekte mit der bestehenden Wohnbebauung und auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen Boden und Umwelt. Daher erfolgte die Auswahl der Investoren mit besonderer Sorgfalt. Durch transparente Prozesse und frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit während der Planung konnten zudem vielfältige Perspektiven und Bedürfnisse berücksichtigt werden. 

Trotz der vielen Herausforderungen ist die Gemeinde überzeugt, mit dem Beschluss zur Förderung erneuerbarer Energien im Jahr 2019 den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.

Steckbrief der Interviewpartner

Name: Thomas Rasmussen
Position: Bürgermeister der Gemeinde Handewitt seit 2014

Name: Ute Runge
Position: Stellvertretende Fachdienstleitung der Abteilung Bau, Planung, Ordnung

Steckbrief der Gemeinde

Name: Handewitt

Kreis: Schleswig-Flensburg

Einwohnende: 11.345

Fläche: 77,72 km2

Website: gemeinde-handewitt.de

Kenndaten der PV-Freiflächenanlagen

Fläche: 180 ha für die aktuellen Projekte "Ellund": 100 ha, "Haurup-West": 60 ha, "Weding": 20 ha; 
Gesamtprojektfläche im Standortrahmenkonzept: 350 ha 

voraussichtliche Leistung, geschätzt: 150 MWp für die aktuellen Projekte

zu erwartender Ertrag: Abhängig von PPA-Verträgen; keine Vergütung nach EEG

Link zum Standortrahmenkonzept: Standortkonzept Gemeinde Handewitt